Die Aufnahmen der Orangenpflücker neben dem Korb unverkaufter Früchte erinnern an Tina Modotti, an Walker Evans, das heißt an die große, soziale Fotografie der zwanziger und dreißiger Jahre. Und nach diesen ersten Bildern steigt der Reisende aus dem Norden oder aus Amerika, der nach Jahren der Abwesenheit seine Mutter aufsucht, in den Zug, und der Film fährt ins Herz Siziliens, das ebenso gut das Herz Deutschlands oder Persiens sein kann, aber auf jeden Fall unser Herz ist. Sicilia! ist eine Verdichtung, keine Kürzung eines Romans von Elio Vittorini aus den ausgehenden 30er-Jahren, in dem er verträumt, wiewohl lakonisch und humorvoll seine Rückkehr nach Sizilien beschreibt. Straub/Huillet folgen ihrem monolithischen Lebensprojekt, begreifen ihre Schauspieler in einem Brecht'schen Sinne als rezitierende Körper, die sich rhythmisch komponierte Dialoge zurufen. Unerreicht: Die beinahe dadaistisch anmutende Dialogsequenz des Reisenden mit dem örtlichen Scherenschleifer, der keine Scheren schleift.
Jean Vigo war erst fünfundzwanzig, als er dieses bemerkenswerte Debüt schuf – ein stummes filmisches Gedicht, das mit einer mitreißenden und ironischen Montage die wirtschaftliche Realität hinter der glanzvollen Fassade des mediterranen Badeorts Nizza enthüllt. Der Film ist die erste von mehreren Kollaborationen zwischen Vigo und Kameramann Boris Kaufman (dem Bruder von Dziga Vertov und späterem Oscar-Preisträger). Das Ergebnis: ein zugleich scharfsinniger und elektrisierender Blick auf die französische Gesellschaft der 1930er Jahre.